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Die Insel Cub Island, fotografiert am 29. Juli 2013, liegt im nördlichen Teil des grossen Salzsees von Utah. © cc-by-sa-3 Cory Maylett, Wikimedia Commons

Utah: Der Staub, der nach dem Wasser kommt

Daniela Gschweng /  Der Grosse Salzsee im US-Bundesstaat Utah trocknet immer mehr aus. Für die Anwohner heisst das: sehr viel Staub. Und Arsen.

Der grosse Salzsee Utahs ist dabei, zur Pfütze zu werden. Mit eindrucksvollen Bildern berichteten unter anderen die «New York Times», «Der Spiegel» und der «Guardian» über Strandresorts, die inzwischen weit vom Ufer entfernt sind, und von Schiffen, die aus dem Wasser geholt werden, weil bald keines mehr da ist.

Das Verschwinden des Sees ist spektakulär, denn es passiert in grosser Geschwindigkeit. Der Great Salt Lake ist sehr flach, das Ufer zieht sich weit zurück, wenn der Pegel nur wenig sinkt. Letztes Jahr hat der See einen historischen Tiefstand erreicht, seit den 1980er-Jahren ist das Gewässer um zwei Drittel geschrumpft.

Mit dem Staub kommt giftiges Arsen

Wo Ufer war, bleibt salziger Schlick zurück und erstarrt zu einer Kruste. Bisher bewahrt diese Kruste die Anwohner vor dem Schlimmsten. Wenn sie aufbricht, wird es staubig. Und möglicherweise giftig.

Die Gegend um den Grossen Salzsee könnte sich zu dem entwickeln, was in den USA «Dust Bowl» heisst: eine staubige Hölle. Kalifornien hat damit schon Erfahrungen gemacht, dort löste das Verschwinden des Owens Lake die schlimmste Luftverschmutzung im ganzen Land aus.

Schon vor Jahren warnten die Behörden Utahs vor mehr Atemwegserkrankungen als Folgen der Klimakrise. Die Luftqualität in der Region Salt Lake City ist aufgrund der geografischen Lage jetzt schon eine der schlechtesten der USA. Utahs Berge verhindern im Winter wochenlang den Luftaustausch.

Zur schlechten Luft kommt noch eine zusätzliche Gefahr: Das Seebett enthält grosse Mengen an natürlich vorkommendem Arsen, dessen giftiger und krebserregender Staub sich über die Metropolregion Salt Lake City verteilen könnte. Betroffen wären rund 2,5 Millionen Menschen, drei Viertel der Bevölkerung Utahs. Andere Schwermetalle aus Bergbauabwässern kommen dazu. «Wir haben eine potenzielle Umwelt-Atombombe», zitiert die «New York Times» (NYT) einen Lokalpolitiker.

Das ist drastisch ausgedrückt, ganz falsch ist es nicht. Noch ist die Kruste grösstenteils intakt. Je trockener es wird und je breiter der ausgetrocknete Uferbereich ist, desto eher wird sie beschädigt. Fahrzeuge oder einfach natürliche Erosion zerstören den schützenden Belag. Die giftigen Schwermetalle werden freigesetzt.

Kevin Perry, Atmosphärenforscher an der Universität von Utah, der mehreren Medien Interviews gegeben hat, gilt als Spezialist für den Staub am Great Salt Lake. Perry hat erforscht, wie stabil die Kruste ist und wie sich das Austrocknen des Sees auf die Luftqualität auswirken wird. Bei Probennahmen im trockenen Seebett stellte er fest, dass mehrere Stoffe in Mengen vorlagen, die die Grenzwerte der US-Umweltagentur EPA überschreiten. In jeder Probe fand sich Arsen.

Kevin Perry fand in allen Staubproben mehr oder weniger Arsen. Links als grüne und rote Linie dargestellt sind die allgemeinen bzw. für Industrieanwendungen gültigen Grenzwerte der EPA (Grafik aus einem Vortrag Perrys).

Bisher, sagte Perry 2018, sei nicht klar, in welchem Ausmass die Bewohner des Salt Lake Valleys dem Staub ausgesetzt seien. Welche Gesundheitsgefahr besteht, lässt sich also nicht genau einschätzen. Bedenkt man, wie viele Gewässer vom Austrocknen bedroht sind, könnte der Great Salt Lake durchaus ein Modell dafür sein, was passieren kann, wenn grosse Gewässer durch den Klimawandel trockenfallen. Schadstoffe, die einst als Abwässer oder Müll darin entsorgt wurden, könnten dann wieder an die Oberfläche kommen.

Utahs Dilemma, ein unheilvoller Kreislauf

Auch ohne Arsen hat das Vertrocknen des grossen Sees das Potenzial, die Wirtschaft Utahs schwer zu schädigen. Eine ganze Industrie lebt vom Salzwasserkrebs, dem das Wasser irgendwann zu salzig werden könnte. Laut der «New York Times», könnte das schon dieses Jahr geschehen. Für die Wasservögel, die sich von den Krebsen und ihren Larven ernähren, keine gute Nachricht.

Der Tourismus wird noch mehr leiden, auch in den Bergen, wo sich in den Skigebieten eine dickere Staubschicht über den Schnee legen wird. Der Schnee schmilzt damit noch schneller. «Niemand will auf staubigem Schnee Ski fahren», sagt die Hydrologin McKenzie Skiles, die darüber eine Studie gemacht hat, zum «Guardian». Und weil der See kleiner wird, nimmt die Luft weniger Wasser auf, und es schneit noch weniger. Ein unheilvoller Kreislauf.

Um all das abzuwenden, bräuchte es im Prinzip nur eines: Der Wasserspiegel muss wieder steigen. Fünf Fuss (etwa 1,5 Meter) mehr, sagte Perry 2019, dann wäre in der besonders gefährdeten Gegend Farmington Bay die Hälfte aller «Dust Spots» wieder von Wasser bedeckt. Noch zwei Fuss mehr, und es wären 80 Prozent. Aber genau das ist schwierig.

Zuwanderung und Klimawandel – eine staubige Mischung

Das Schrumpfen des Sees ist zum einen eine Folge des Klimawandels. In den Gebirgen der USA fällt immer weniger Schnee, der im Frühjahr die Flüsse speisen kann. Der Pegel im Grossen Salzsee erholte sich 2021 um nur 15 Zentimeter. Früher seien es 60 Zentimeter im Jahr gewesen, sagte Perry dem «Guardian» im letzten Jahr.

Auch Utahs Nachbarstaat Arizona kämpft mit Wassermangel: Die Pegel von Lake Mead und Lake Powell, den grössten Süsswasserspeichern der USA, sinken seit Jahren bedrohlich ab (Infosperber berichtete). Hoffnung, dass die Dürre vorübergeht, gibt es eher nicht: Forschende, die die Atlantikströmungen untersucht haben, vermuten, dass das Wetterphänomen La Niña zu einem Dauerzustand werden könnte. Das hiesse mehr trockene, heisse Luft im Südwesten der USA.

Der andere Grund: Wie in Phoenix wandern auch in die Metropolregion Salt Lake City immer mehr Menschen zu. Um sie zu versorgen, wird den Zuflüssen des Great Salt Lake mehr Wasser entnommen. Der See, der keinen Abfluss hat, wird dadurch nicht nur kleiner, sondern auch immer salziger.

«Wie schnell sind die Amerikaner bereit, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen, selbst wenn diese Auswirkungen dringlich, offensichtlich und potenziell katastrophal werden?», fragt die «New York Times».

Wasserspenden und Gebete

Laura Briefer, die Leiterin der Stadtwerke von Salt Lake City, sagte der NYT, die Stadt könne die Wasserversorgung auf drei Arten sicherstellen: Mehr Wasser aus Flüssen und Bächen umleiten, mehr Abwasser recyceln oder mehr Grundwasser entnehmen. Sonst würde die Wassernachfrage in Salt Lake City schon 2040 das Angebot übersteigen.

Utah ist dabei, seine Wassergesetzgebung zu überarbeiten. Dabei geht es insbesondere um eine juristische Eigenheit, die es überall in den USA schwer macht, Gewässer nachhaltig zu bewirtschaften: Wer zuerst da war, hält die Wasserrechte. Entnahmepläne gibt es nicht. Wasser, das in den See fliesst, wird dazu teilweise heute noch als «verschwendet» angesehen, weil es danach salzig ist.

Der Betreiber einer Kupfermine, berichtet «Der Spiegel», habe bereits Wasser gespendet. Es wird nicht reichen. Je heisser es wird, desto mehr Wasser wird verdunsten. Spencer Cox, der Gouverneur des Bundesstaates Utah und Republikaner, ruft die Bevölkerung zum Beten auf. Cox ist auch der Meinung, Öl- und Gasgewinnung in Utah einzuschränken, sei «der falsche Weg»

Nicht nur Utah hat ein Problem

Gebetet wird auch woanders, viele tausend Kilometer südlich von Utah in Chile zum Beispiel, berichtet «Reuters». Dort droht dem Peñuelas Reservoir, das die Region Valparaiso mit Wasser versorgt, das Aus. Nach 13 Jahren Dürre enthält der Wasserspeicher nur noch 0,5 Promille seines einstigen Inhalts. Wo man einst angeln konnte, lägen nun Fischgräten auf dem vertrockneten Boden, beschreibt «Gizmodo». Die Ursache ist die gleiche wie in Utah: weniger Schnee in den Anden.

Gebetet wird vielleicht auch schon am Baikalsee. Am Aralsee nützt Beten nichts mehr, dieser ist inzwischen in mehrere kleinere Gewässer zerfallen, der grösste Teil ist ausgetrocknet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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