Drei Fragen und Antworten: Thunderbird erklärt das neue Design des Mail-Clients

Eine komplett neue Oberfläche soll Thunderbird für die Zukunft rüsten – für viele Nutzer kein Grund zur Freude. Im Interview erklärt Thunderbird die Pläne.

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(Bild: iX)

Lesezeit: 6 Min.

Bei Thunderbird stehen die Zeichen auf Aufbruch: Mit dem kommenden Release 115 namens Supernova bauen die Entwickler den freien E-Mail-Client komplett um. Bei einem so wichtigen Open-Source-Projekt ist da Kritik vorprogrammiert – und entsprechend kontrovers wurden die angekündigten Änderungen von vielen Nutzern diskutiert. Im Interview erklärt Alessandro Castellani, Product Design Manager bei Mozilla Thunderbird, die Pläne.

Im Interview: Alessandro Castellani

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Thunderbird

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Alessandro Castellani ist Product Design Manager bei Mozilla Thunderbird. Mehr Informationen zu seinem Werdegang und seiner Rolle im Projekt finden sich hier:

Das Thunderbird-Team packt derzeit drei grundlegende Änderungen an: Ihr stellt die Code-Basis auf neue Beine, wollt monatliche Releases erreichen – und eine neue UI etablieren. Während die ersten beiden Ziele nicht sonderlich kontrovers diskutiert werden, gab es von unseren Lesern einige negative Rückmeldungen zum neuen Design. Warum ist es das denn nötig, sind nicht die meisten Anwender mit der jetzigen Oberfläche zufrieden?

Wir wissen, dass viele Nutzer mit dem jetzigen UI von Thunderbird glücklich sind. Aber wir wissen auch, dass viele Anwender mit der aktuellen Oberfläche unzufrieden sind – und das hindert potenziell neue Nutzer daran, Thunderbird einzusetzen.

Weil wir unsere Nutzer nicht überwachen und sich die Erhebung von Telemetriedaten in Thunderbird komplett deaktivieren lässt, müssen wir uns bei unserer Einschätzung zur Zufriedenheit aufs Feedback durch Social-Media-Posts, Support-Foren und Online-Communities auf der ganzen Welt verlassen.

Wir bekommen täglich Rückmeldungen von Nutzern, die sich über die unruhige und überfüllte Oberfläche beschweren, die steile Lernkurve bemängeln und Schwierigkeiten beim Auffinden der vielen erweiterten Funktionen haben, weil das UI diese sich nicht intuitiv zugänglich macht.

Also haben wir uns gefragt: Wer hat recht? Und die Antwort ist: Jeder hat recht. Existierende Nutzer müssen weiterhin die UI verwenden können, die sie kennen und lieben. Neue Anwender hingegen müssen in der Lage sein, Thunderbird intuitiv und ohne Mentalgymnastik einzusetzen. Und alle unserer Nutzer, die Flexibilität und Kontrolle schätzen, sollen die Option haben, Thunderbird so einzurichten, dass er funktioniert, wie sie es wollen – so wie andere etablierte und moderne Applikationen, die Millionen Menschen verwenden.

Unser Ziel ist es, die Oberfläche so flexibel und intuitiv zu gestalten, dass mit ihr alle Nutzer glücklich werden. Das neue UI ist optional und wird es immer bleiben.

In eurem Blog schreibt ihr, dass Thunderbird hinter der Konkurrenz zurückfällt. Um welche Konkurrenz handelt es sich dabei denn und welche Features fehlen Thunderbird, die andere E-Mail-Clients bieten?

Wir glauben nicht, dass Thunderbird einen direkten Konkurrenten hat. Aber hier einige Beispielanwendungen, mit denen wir hinsichtlich der Nutzergunst konkurrieren: Outlook, Spark, Superhuman, Hey und ProtonMail. All diese Applikationen bieten eine Komponente oder Features, die besser funktionieren und besser aussehen, als das, was wir momentan bieten. Das lockt Nutzer weg von Thunderbird.

Selbst Gmail, obwohl viele unserer Nutzer es als ziemlich schrecklich empfinden, ist für viele sehr vertraut und bietet eine einfache Web-Oberfläche, mit der junge Generationen komfortabel sind.

Wir sind nicht der dominante E-Mail-Client, aber der wollen wir werden, weil E-Mail etwas sehr Persönliches ist und es um jeden Preis beschützt werden muss. Thunderbird will eine vollständig geschützte Privatsphäre, einen ethisch korrekten Umgang mit den eigenen E-Mails und eigenen Daten garantieren. Um das mit Zuversicht zu erreichen, müssen wir uns ansehen, was andere machen – und das selbst besser machen, um die Nutzer zu überzeugen, die Thunderbird derzeit nicht einsetzen.

Ihr erwähnt auch neue Features – aber Thunderbird ist ein E-Mail-Client und die meisten Nutzer scheinen Konsistenz an die erste Stelle zu stellen. Überzeug uns: Was sind diese tollen und innovativen Funktionen, die jedermanns Arbeit verbessern werden?

Konsistenz ist definitiv wichtig! Aber wir müssen auch klarstellen, dass Thunderbird schon immer mehr als ein E-Mail-Client ist. Wir sehen ihn als persönliche und professionelle Kommunikationsplattform an. Deshalb haben wir auch immer offene Chat-Protokolle wie IRC und Matrix unterstützt. Und darum erhielt unser Adressbuch ein intuitiveres Redesign mit Thunderbird 102. Des Weiteren stecken wir erneute Bemühung in ein zugehöriges Redesign des Kalenders für Supernova. Ganz abgesehen von anderen schon lange existierenden Features wie die Newsgruppen und der Support von RSS-Feeds.

Es gibt hunderte Features, die den Alltag jedes Nutzers verbessern können. Wir wollen natürlich nicht alles, was wir planen, öffentlich machen, weil wir nicht mehr versprechen wollen, als wir halten können. Abgesehen davon – hieran arbeiten wir:

  • Mit der Kontensynchronisation können Nutzer ihr Profil auf einem sicheren Server hinterlegen und sich keine Sorgen mehr über Fehler in ihrer Konfiguration nach einem Upgrade machen müssen. Außerdem lässt sich so alles auf einem neuen System wiederherstellen.
  • Ein besseres vertikales Layout der Nachrichtenliste, damit man auf einem kleinen Bildschirm besser Informationen verarbeiten kann, ohne an ein einengendes Tabellenlayout gebunden zu sein.
  • Eine neue Unified-Toolbar, mit der sich an einer Stelle alle Buttons und Elemente für die unterschiedlichen Tabs anpassen lassen. Eine zentralisiertere und gleichzeitig intuitivere Konfiguration der ganzen Anwendung.
  • Verbesserungen der Barrierefreiheit, insbesondere bei der Eingabe und für Screenreader. In Version 102 ist die Unterstützung sehr spärlich, wodurch sich Thunderbird mit solchen Hilfsmitteln nur schwer verwenden lässt.
  • Eine umfangreicher anpassbare Kalenderoberfläche, damit Nutzer mehr Kontrolle über das Layout haben, wenn sie mit vielen Termine hantieren müssen.

Ich könnte noch mehr aufzählen, aber unser grundlegendes Ziel ist es, die Oberfläche intuitiver zu gestalten, wichtige Features durch Kontextmenüs prominenter hervorzuheben und die Lernkurve für neue und existierende Nutzer abzuflachen.

Herr Castellani, vielen Dank für das Interview! Details zu den Hintergründen der neuen Ausrichtung und dem neuen Kalender finden sich hier. Gleichzeitig arbeitet Thunderbird an seiner ersten Android-App, der als Basis K-9 Mail zugrunde liegt.

In der Serie "Drei Fragen und Antworten2 will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(fo)