Matrix: Grundschule forkt Messenger

Statt auf Teams oder Google setzt eine Grundschule in NRW beim Homeschooling auf einen selbst angepassten Matrix-Client. Die Mühe lohnt sich.

Ein Interview von veröffentlicht am
Der Matrix-Messenger Hermannpost basiert auf Fluffychat.
Der Matrix-Messenger Hermannpost basiert auf Fluffychat. (Bild: Hermannschule/Montage Golem.de)

Eigentlich ist Nacho Ruiz Konrektor an der Gemeinschaftsgrundschule Hermannstraße in Stolberg und kein Programmierer. Doch auf der Suche nach einem Messenger, den auch Grundschüler gut bedienen können und der die Datenschutz- und die Fürsorgepflicht der Schule berücksichtigt, wurde er nicht fündig. Also installierte er einen Matrix-Server und forkte den Client Fluffychat, um ihn an die Bedürfnisse der Schule und der Grundschüler anpassen zu können. Herausgekommen ist die Hermannpost.

Im Interview mit Golem.de erzählt Ruiz, wie es zu diesem außergewöhnlichen Projekt kam und eine Grundschule in Nordrhein-Westfalen Messenger-Betreiber wurde, während sie mit der Coronapandemie und dem Hochwasser im Sommer 2021 zu kämpfen hatte.

Golem.de: Schulen sind meistens nicht für herausragende IT-Projekte bekannt, im Gegenteil, den meisten Schulen mangelt es eher an IT-Kräften und Wissen. Was ist bei der Hermannschule anders, dass sie es sogar schafft, einen eigenen Messenger auf die Beine zu stellen?

Nacho Ruiz: Das ist in erster Linie ein Glücksfall. Unsere Schulleiterin hat den digitalen Bildungsauftrag schon immer sehr ernst genommen, also schon lange, bevor es den Digitalpakt Schule gab. Wir haben beispielsweise schon länger in jedem Klassenzimmer eine interaktive Tafel. Zudem haben wir ein sehr tolles und dynamisches Kollegium, dass für Digitales sehr offen ist und gerne anpackt.

Wir vermitteln den Kindern die Möglichkeiten, die durch den Einsatz von Medien eröffnet werden. Als Schule versuchen wir aber auch, digitale Werkzeuge zu finden, die unsere Arbeit erleichtern. Und wenn etwas nicht ganz passt, dann basteln wir uns auch mal was Passendes zusammen. Wir scheuen ungewöhnliche Wege nicht. Das ist an unserer Schule auch was Besonderes, und dabei helfe ich gerne.

Golem.de: Mit diesen Voraussetzungen habt ihr auch sofort auf Matrix gesetzt?

Ruiz: Nein, auch uns hat die Coronapandemie kalt erwischt. Wir waren genauso unvorbereitet auf Homeschooling wie andere Schulen auch. Kollegiumsintern hatten wir zwar digitale Kommunikationsstrukturen etabliert - von unserem Schulträger haben wir Microsoft 365 - , aber unsere Schüler konnten wir damit nicht erreichen.

Nach Elternanfragen beschlossen wir, einen Kanal über Whatsapp zu öffnen. Allerdings nicht über die privaten Geräte der Lehrer, sondern über dienstliche Tablets mit LTE und mit eigener dienstlicher Rufnummer. Um dem Datenschutz möglichst gerecht zu werden, war die Bedingung, keine Gruppen anzulegen und keine Kontakte zu speichern.

Von Whatsapp zu Matrix

Golem.de: Wie waren die Erfahrungen mit Whatsapp?

Ruiz: Das hat ziemlich gut funktioniert. Kinder und Lehrer konnten über den Messenger überhaupt wieder direkt in Kontakt treten. Wir haben dann Projekte gemacht, bei denen Kinder Aufgaben auf Papier gelöst haben oder Sachen gebastelt haben und uns dann Fotos davon geschickt haben.

Man muss bedenken: Wir sind eine Grundschule. Erstklässler können noch gar nicht lesen und schreiben und müssen trotzdem irgendwie kommunikativ eingebunden werden. Da haben Sprachnachrichten geholfen. Manche Kinder haben uns regelrecht zugespamt. Denen mussten wir dann erklären: Überlege dir vorher, was du eigentlich sagen willst und nimm erst dann eine Sprachnachricht auf. Das ist letztlich auch eine Form von Medienbildung, die da stattfindet.

Wir waren also insgesamt recht zufrieden mit dem Ergebnis. Aber der Haken war, dass es über Whatsapp gelaufen ist.

Golem.de: Wie habt ihr dann zu Matrix gefunden?

Ruiz: Wir haben dann auf dem Markt nach Alternativen gesucht, aber jede hatte immer irgendeinen Haken. Beispielsweise war die Verwaltung teils sehr kompliziert, die Lizenzen sehr teuer oder es fehlten Sprachnachrichten, die wir unbedingt brauchten. Ich hatte mir dann den Matrix-Client Element, damals noch Riot, angeschaut. Da war die größte Hürde die Eingabe von Nutzername und Passwort - vor allem, wenn man sichere Passwörter möchte.

Dann kam mir die Idee: Wir haben ja Zugriff auf den Quellcode, vielleicht können wir da eine Lösung mit einem QR-Code beim Anmeldeprozess dazwischenschieben. Ich hatte mir das bei Element/Riot damals kurz angeschaut, ob das klappen könnte. Dabei bin ich dann auf den Matrix-Client Fluffychat gestoßen, der sehr viel benutzerfreundlicher aussieht und von der Bedienung Whatsapp oder Signal sehr ähnlich ist. Außerdem konnte er Sprachnachrichten, was Element damals noch nicht konnte.

Golem.de: Also habt ihr euch einen Matrix-Server geholt?

Ruiz: Genau. Wir hatten im Keller noch einen alten Verwaltungsserver, darauf habe ich CentOS installiert. Für die Installation vom Matrix-Server Synapse haben wir uns Hilfe von einem externen Admin geholt, der selbst eine große öffentliche Matrix-Instanz in Deutschland betreibt und nun auch unseren Server verwaltet. Mit ihm haben wir auch ganz DSGVO-Konform einen Auftragsverarbeitungsvertrag.

Das funktionierte direkt und brauchte auch nicht besonders viel Ressourcen. Wir fanden den On-Premise-Gedanken auch sehr schön, also die Daten in der Schule zu haben. Das hat auch die Eltern überzeugt, alle waren glücklich - bis das Hochwasser kam und unsere Schule überflutet hat. Da war der Server im Keller futsch. Die Kinder mitten im Katastrophengebiet auf einmal nicht erreichen zu können, das war ziemlich nervenaufreibend. Zum Glück hatten wir ein Backup und unser Admin Milan konnte relativ schnell einen neuen Server hochziehen.

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Ein Matrix-Server allein macht noch keinen Grundschul-Messenger 
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ikhaya 27. Mär 2022

Die Probleme mit technischen Laien , Anmeldung, verlorene Schlüssel, evtl ungewollte...

gadthrawn 04. Feb 2022

Das ist nicht ganz richtig. Einige Bayerische Schulen bieten keinen Ethikunterricht an...

6502 03. Feb 2022

Kinder (in der Grundschule) sollten meiner Meinung nach zuerst mal mit Papier und Stift...

Potrimpo 31. Jan 2022

Klar, in der Grundschule studiert, wundert mich hier nix mehr



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